Seit Lewin et al. (1939) werden in der Managementliteratur primär drei unterschiedliche Führungsstile beschrieben:  

  1. demokratisches Führungsverhalten, das sich auf Führung, Auswahl und partizipative Entscheidungsfindung stützt
  2. autoritäres Führungsverhalten, das Kontrolle und Ordnung betont und keinen Raum für Initiative oder Wahlmöglichkeiten lässt
  3. Laissez-faires Führungsverhalten, das Führungskräfte charakterisiert, die keine Anleitung oder Richtung geben aber den Mitarbeitern Freiheit geben (passiv-vermeidende Führung) (Skakon 2010, S. 109).

Viele Führungskräfte bedienen sich situationsbedingt Verhaltensweisen aus allen drei Kategorien, abhängig davon, was ihnen gerade – mehr oder weniger bewusst –  am erfolgversprechendsten erscheint.

Doch was genau bewirken die verschiedenen Verhaltensweisen bei den Mitarbeitern?

Das haben Huyghebaert-Zouaghi et al. in ihrer gerade veröffentlichten Studie mit 961 befragten Mitarbeitern untersucht und sind zu überraschenden Ergebnissen gekommen:

– Es scheint ein Zuviel an mitarbeiterzugewandten Verhaltensweisen geben zu können, die eher zu Langeweile führen

– Das schädlichste Führungskräfteverhalten besteht aus Indifferenz und Teilnahmslosigkeit

– Frustrierendes Vorgesetztenverhalten kann in geringen Dosen eingesetzt positiv auf das Mitarbeiter Wohlbefinden und Engagement wirken

Hintergrund

Menschen kündigen nicht ihren Job. Sie verlassen ihre Vorgesetzten. Das lässt sich aus einer Gallup-Umfrage schließen, die zeigte, dass etwa die Hälfte der 7.272 befragten amerikanischen Erwachsenen ihren Job in erster Linie aufgegeben hatte, um „ihrem Vorgesetzten zu entkommen“ (Harter & Adkins, 2015).

Der Großteil der bestehenden Forschung zu Führungskräfteverhalten betrachtet Führung als ein Mittel, um das Verhalten und die Leistung von Mitarbeitern zu beeinflussen (vgl. Inceoglu et al., 2018). Dabei werden die Auswirkungen unterschiedlicher Führungsstile auf die Motivation und das Wohlbefinden der Mitarbeiter meist nicht berücksichtigt.

Diese Lücke versuchen Huyghebaert-Zouaghi et al. in ihrer gerade veröffentlichten Studie „Supervisors‘ interpersonal styles: An integrative perspective and a measure based on self-determination theory“ zu schließen. In ihrer Studie untersuchen sie, wie unterschiedliche Verhaltensweisen von Führungskräften auf die Motivation von Mitarbeitern wirken (Huyghebaert-Zouaghi et al., 2023).

Studiendesign

Für ihre Studie haben sie in Anlehnung an das Messinstrument TMIB-C Führungsverhaltensweise definiert, die sich entweder positiv, negativ oder neutral auf die psychologischen Grundbedürfnisse nach Selbstbestimmung (Autonomie), Verbundenheit (Beziehungen) und Kompetenz auswirken. Anschließend haben sie untersucht, inwiefern diese Verhaltensweisen einen Einfluss auf das Engagement, emotionale Erschöpfung und Langeweile am Arbeitsplatz haben. Diese Messgrößen wurden gewählt, da in anderen Studien gezeigt werden konnte, dass Engagement, emotionale Erschöpfung und Langeweile typischerweise mit wichtigen Unternehmenskennzahlen wie Krankheitsquote, Fluktuation, Fehlverhalten sowie Arbeits- und Servicequalität einhergehen (Schaufeli & Salanova, 2014). Zur Messung wurden bewährte Instrumente verwendet (Utrecht Work Engagement Scale, Dutch Boredom Scale und Shirom-Mekamed Burnout Measure).

Ergebnisse

Bedürfnisbefriedigende (mitarbeiterzugewandte) Verhaltensweisen wie „Mein Vorgesetzter versteht meine Perspektive“, „… erkennt meinen Einsatz und meine Leistung an“ oder „… hat Interesse an meinem Wohlbefinden“ hatten positiven Einfluss auf das Engagement und verringerten die Wahrscheinlichkeit für emotionale Erschöpfung und Langeweile. Besondere Bedeutung hatten dabei Verhaltensweisen, die das Autonomieerleben der Mitarbeiter fördern, wie z.B. „Mein Vorgesetzter erklärt mir die Hintergründe, wenn er mich darum bittet etwas zu tun“ oder „… ermutigt mich, Eigeninitiative zu zeigen“. Interessanterweise könnte ein Zuviel an Unterstützung aber auch zu Langeweile führen.

Bedürfnisneutrale (indifferente) Verhaltensweisen wie „… kann unorganisiert sein“, „… interessiert es nicht wie ich mich fühle“ oder „… reagiert nicht auf meine Meinungsbeiträge“ hatte einen eindeutig negativen Einfluss. Diese Verhaltensweisen sorgen für mehr emotionale Erschöpfung, Langeweile und weniger Engagement. Das zeigt, dass bereits ein Fehlen von Führungsverhalten schädlich sein kann. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass durch die Vermittlung von Unsicherheit, Chaos und Entfremdung indifferente Vorgesetzte ein Klima der Uneindeutigkeit schaffen. Uneindeutigkeit (Ambiguität) ist für das psychische Wohlbefinden von Menschen besonders problematisch (vgl. Skogstad et al., 2014; Chênevert et al., 2013; Skogstad et al., 2014). Darüber hinaus kann ein indifferentes Verhalten dazu führen, dass Mitarbeiter nicht in der Lage sind, das Verhalten ihres Vorgesetzten vorherzusagen oder einzuordnen, was weitere Verunsicherung schafft. Beispielsweise impliziert die Social Identity Theory of Leadership, dass die positive Wirkung von Führung davon abhängt, ob die Führungskraft als Gruppenmitglied wahrgenommen wird oder nicht (Steffens et al., 2021). Gleichgültiges bzw. indifferentes Verhalten macht es den Mitarbeitern jedoch unmöglich, zu beurteilen ob die Führungskraft Teil der Gruppe ist.

Bedürfnisfrustrierende Verhaltensweisen wie „Mein Vorgesetzter macht mir Vorwürfe, wenn es nicht gut läuft“ oder „… erzeugt Schuldgefühle, um mein Verhalten zu steuern“ wirkten teilweise positiv und teilweise negativ auf die o.g. Messgrößen (Engagement, emotionale Erschöpfung und Langeweile am Arbeitsplatz).

Eine mögliche Erklärung für diese unerwarteten Ergebnisse könnte sein, dass einige Mitarbeiter effektive Bewältigungsstrategien anwenden, wie z. B. die direkte Konfrontation ihres Vorgesetzten (z. B. Frieder et al., 2015), Anbiederung an ihren Vorgesetzten (Harvey et al., 2007) oder Suche nach sozialer Unterstützung im Kollegenkreis (Bakker & Demerouti, 2017; de Bloom et al., 2020; Lazarus & Folkman, 1984). Solche Bewältigungsstrategien sind anstrengend (Frieder et al., 2015), weshalb Mitarbeiter das Gefühl haben könnten, engagiert bei der Arbeit zu sein und sich einzubringen. Die letztgenannte Strategie könnte dazu führen, dass durch negatives Vorgesetztenverhalten bessere Beziehungen zu den Kollegen (Leidensgenossen) entstehen. Zu beachten ist, dass keine Daten vorliegen, wie lange diese Strategien funktionieren und unter welchen Bedingungen. Es könnte sein, dass nur ein Teil der Mitarbeiter aktiv auf bedürfnisfrustrierendes Vorgesetztenverhalten reagiert und ein anderer Teil der Mitarbeiter sich dem einfach hingibt.

Eine alternative Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis könnte sein, dass Mitarbeiter, die ihre Bedürfnisse als unerfüllt empfinden, sich mehr in ihre Arbeit einbringen könnten, in der Hoffnung, dass ihre Bedürfnisse dann befriedigt werden. Sheldon und Gunz (2009) zeigten beispielsweise, dass sich Individuen umso mehr auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse konzentrierten, je mehr sie ihre Bedürfnisbefriedigung als bedroht empfanden. Auch andere Studien haben diesen Ablauf bestätigt (z. B. Radel et al., 2013) und gezeigt, dass die Frustrierung spezifischer Bedürfnisse eine motivierende Kraft hat. So werden Verhaltensweisen hervorgebracht, die darauf abzielen, die untererfüllten Bedürfnisse zu befriedigen.

Fazit

Insgesamt deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass allein Führungsverhalten, das auf die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse der Mitarbeiter ausgerichtet ist, nicht ausreichend ist, um unerwünschte Entwicklungen zu vermeiden. Es scheinen auch in geringem Umfang Verhaltensweisen notwendig zu sein, die die psychologischen Grundbedürfnisse der Mitarbeiter zuweilen frustrieren. Führungsverhalten, das Indifferenz widerspiegelt, sollte jedoch in jedem Fall vermieden werden.

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Das Insight zum Download als PDF:

Cover_Wie wirkt Vorgesetztenverhalten