Alle sind sich einig: gute Führungskräfte müssen authentisch sein. Doch was bedeutet das eigentlich? Und sollte man deshalb auch versuchen, authentisch zu sein, um eine bessere Führungskraft zu werden?

Unter „authentisch sein“, wird häufig verstanden mit seinen wahren Gefühlen in Kontakt zu sein, sie auszudrücken und sich selbst treu zu sein.

Erfolgreiche Führungskräfte scheinen authentisch zu sein.

Der Ratschlag lautet daher „Sei authentisch und du selbst!“

Unsere Kollegen, Kunden und Chefs haben jedoch wenig Interesse daran, unsere Charakterfehler, irritierenden Marotten und eigenwilligen Überzeugungen aus erster Hand zu erfahren. 

Eine Führungsrolle ist keine Einladung, das gesamte Spektrum unserer Identität auf andere loszulassen, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe, in die wir nur bestimmte Aspekte unseres Selbst einbringen sollten.

Im Allgemeinen werden Sie die Leistung Ihres Teams verbessern, indem Sie die beste Version von sich selbst zeigen, echt erscheinen (anstatt zu sein) und sich mehr darauf konzentrieren, anderen statt sich selbst zu gefallen. Das erfordert ein hohes Maß an Emotionsregulationsfähigkeit und natürlich eine klare Vorstellung davon wie das Beste aussehen sollte.

Das „wahre Ich“ im Sinne der undisziplinierten, hemmungslosen und spontanen Version von sich selbst, ist weder etwas, das Sie auf Ihre Kinder oder Partner noch auf Ihr Team loslassen sollten.

Letzteres können Sie sich vielleicht leisten, wenn Sie „es geschafft haben“. Authentizität ist ein Zeichen von Privilegien und Ansprüchen. Je mehr Status und Macht Sie genießen, desto mehr können Sie es sich leisten, „einfach Sie selbst zu sein“, dann vielleicht zum Leidwesen aller anderen. Der Leistungsfähigkeit Ihres Teams oder Ihrer Organisation wird das aber vermutlich nicht dienlich sein.

Die Herausforderung dabei ist, dass je dichter Sie an „es geschafft zu haben“ dran sind, je mehr Macht und Status Sie schon haben, desto weniger verwertbares Feedback werden Sie bekommen. Sie erfahren nicht wie andere Sie tatsächlich sehen und der soziale Druck, Ihre negativen Auswirkungen auf andere zu managen oder zu unterdrücken, wird geringer.

Viel wichtiger als Authentizität sind daher ein hohes Maß an Selbstbeherrschung, Gewissenhaftigkeit und emotionaler Stabilität in Verbindung mit der Bereitschaft, Informationen aus dem Umfeld bezüglich der eigenen Wirkung zu analysieren. Nur so können die notwendigen Führungskompetenzen entwickelt und Teams erfolgreich gemacht werden.

In diesem Sinne bedeutet Führungskräfteentwicklung vor allem Führungskräften dabei zu helfen, in bestimmten Situationen gerade nicht sie selbst zu sein, sondern zu versuchen Charakterfehler oder problematischen Verhaltensweisen zu überwinden.

Stärkenorientierung oder -fokussierung machen Sinn um Konversationen über Entwicklungsziele einzuleiten und eine Offenheit für Veränderungen zu erzeugen. Wollen Sie sich aber als Führungskraft verbessern und die Leistungsfähigkeit des eigenen Teams erhöhen, gilt es sich auf die Schwächen in Ihrem eigenen Führungsverhalten zu konzentrieren.

Was in diesem Zusammenhang regelmäßig eine besondere Herausforderung darstellt, ist die Erwartung an die Führungskraft ein berechenbares und konsistentes Verhalten zu zeigen. Manchmal scheint diese Anforderung mit der Notwendigkeit unser Verhalten an die spezifischen Anforderungen einer bestimmten Situation anzupassen, im Widerspruch zu stehen. Verhaltensinflexibilität oder -starrheit machen Menschen jedoch nicht authentisch und vor allem Führungskräfte nicht effektiv.

Andererseits können wir nur wir selbst sein. Was auch immer wir tun, tun wir. Das heißt wir haben uns entschieden und waren dazu in der Lage etwaige andere Impulse zu überwinden und uns auf die Art und Weise zu verhalten, wie wir es dann getan haben. Unabhängig davon ob es leicht oder schwer war, es uns gefallen hat oder nicht. Damit sind wir immer wir selbst. Was anderes geht nicht und der Ratschlag ist sinnlos.

Die Literatur und empirische Forschung zeigt eindeutig, welches Führungsverhalten zu leistungsfähigen Teams führt. Die Herausforderung für Führungskräfte ist, sich diese Verhaltensweisen anzugewöhnen und dabei authentisch zu wirken.