bahn manager 05-24
„Du als Individuum wirst hier gebraucht“: Wertschätzende Führung neu gedacht

Leif-Birger Hundt

Eine neue wissenschaftliche Arbeit stellt alte Gewissheiten hinsichtlich wertschätzender Mitarbeiterführung infrage. Waren bisherige Studien zielführend genug? Falls nicht, ist das nicht nur eine unangenehme Erkenntnis für viele Wissenschaftler und ihre Arbeiten. Es tun sich auch neue Chancen für die gelebte Praxis innerhalb von Organisationen auf: Wertschätzende Führung sollte künftig stärker als bisher unter anderem Persönlichkeitsstrukturen und Sozialisation der Mitarbeiter in den Blick nehmen.

In den letzten 100 Jahren hat sich unser Verständnis von „Mensch und Arbeit“ in Organisationen kontinuierlich weiterentwickelt. Es wurden tausende von Studien durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und -ergebnissen zu untersuchen.

Einen kleinen Aufschrei oder zumindest ein Zusammenzucken verursachten Thomas Fischer und Kollegen Anfang des Jahres mit ihrem wissenschaftlichen Artikel „A fatal flaw: Positive leadership style research creates causal illusions“, in dem sie aufzeigten, dass in vielen wissenschaftlichen Studien das Führungsverhalten gar nicht so gemessen wird, wie von den Wissenschaftlern angestrebt (Fischer 2024). Im Kern geht es darum, dass Mitarbeiter, wenn sie nach dem Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten befragt werden, dieses Führungsverhalten nicht objektiv beschreiben können, wie es zum Beispiel ein professioneller und objektiver Arbeitspsychologe tun würde. Vielmehr beschreiben sie ein subjektiv wahrgenommenes Verhalten, das von dem objektiven Verhalten teils deutlich abweichen kann.

In vielen Studien wurde also statt des Zusammenhangs zwischen tatsächlichem Führungsverhalten und Arbeitsergebnissen der Zusammenhang zwischen subjektiv erlebtem Führungsverhalten und Arbeitsergebnissen gemessen. Was für viele Wissenschaftler und ihre Veröffentlichungen eine unangenehme Erkenntnis ist, zeigt sich für die Praxis als äußerst hilfreich: Das heißt, die positiven Effekte von wertschätzender Führung treten nicht ein, wenn die Führungskraft oder ein neutraler Beobachter das Führungsverhalten als wertschätzend wahrnimmt, sondern nur, wenn die Geführten es so erleben.

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